Und wieder einmal zog es uns in die Natur. Über das
Osterwochenende packten wir unsere Rucksäcke mit Proviant für zwei Tage,
Campingkocher, Schlafsäcke und Zelt. Dieses Mal ging es zuerst mit dem Bus
Richtung Heiliges Tal der Inkas, genauer nach Sillacancha, wovon aus wir dann
steil hoch nach Cancha Cancha wanderten, welches auf 4200 müM liegt, einem Art
Hochplateau mit einigen Lamaweiden, kleinen Ställen und einer kleinen
Landschule. Hungrig und etwas müde setzten wir uns in eine vom Wind geschützte
Lamaweide, einem sogenannten "corral" und ruhten uns etwas aus, bis
wir von weitem einen Bauern auf uns zukommen sahen. Señor Melchior lud uns mit
grosser Herzlichkeit auf ein paar frisch gedämpfte Kartoffeln von seinem Acker
ein und nach einem kleinen Schwatz über seine Familie, die Alpacas und seine
Arbeit auf dem Feld machten wir "trueque" (Tauschhandel) mit Bananen
und Avocados, welche wir im Rucksack mittrugen. Es ist für uns immer wieder faszinierend zu erleben, wie herzlich,
offen und ohne Vorurteile die (meisten) Menschen vom Land sind.
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Aufstieg nach Cancha Cancha dem Bach Huaran entlang |
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Pampa von Cancha Cancha |
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Unter dem Teufelsfelsen "Sakramachay" |
Etwas weiter oben entschieden wir uns, das Lager für die Nacht
aufzuschlagen, da wir schon ziemlich müde vom Aufstieg waren (unsere Ausdauer
war auch schon besser...). Vorher war es jedoch wichtig, einen windgeschützten
und trockenen Ort zu finden, den uns dann schon bald Fredy (10-jährig), unser
neuer Freund zeigte. Fredy und seine Familie leben etwas weiter oben von Cancha
Cancha mit ihren Alpacas und Pferden. Frühmorgens treiben sie die Alpacas mit Hilfe
der Hunde nach oben in die Hänge, damit diese den ganzen Tag über weiden können
bis sie vor Sonnenuntergang wieder nach unten kommen und in ihre «corrals»
getrieben werden, um dort die Nacht zu verbringen. Fredys Leben ist ein sehr einfaches. Mit
seinem poncho und den «ochotas» (Gummi-Sandalen) schützt er sich vor den tiefen
Temperaturen, welche nun poco a poco weiter nach unten sinken, da wir gegen
Herbst-Winter zugehen. Oft denken wir «Westler», oh der Arme hat ja keine
richtigen Schuhe weder Jacke… Immer wieder müssen wir unseren Blickwinkel
wechseln, versuchen, ihre Lebensweise zu verstehen. Verstehen, dass die ochotas
und der poncho aus Schafswolle Teil der Andenkultur sind, dass die Menschen
sich bewusst für ein einfaches Leben in und mit der Natur entscheiden, dass sie
mit Stolz die Quechua Sprache pflegen und weitergeben möchten. Diese
Entscheidungen fällen heute nicht mehr viele Bauernfamilien. Cusco erlebt seit
Jahrzehnten starke Migration - Landflucht würde man in Europa sagen. Dies
bringt viele Herausforderungen für die Stadt mit. Die Menschen bauen in gefährlichen
Zonen ihre einfachen bis waghalsigen Häuser, können sich nicht an die Normen
des engen Zusammenlebens gewöhnen, können nicht mir der Welt des Konsums und
der sogenannten «Modernität» umgehen.
Doch nun wieder zurück zu Fredy. Natürlich weiss unser Freund, wie
man Geschäfte macht. Mit fleissiger Hand half er uns in seinem «corral» das
Zelt aufzuschlagen und half uns beim Kochen. Natürlich wussten wir, dass Fredy
auch etwas als Gegenleistung wollte und luden ihn auf ein bescheidenes Znacht
und einige Kleinigkeiten ein. Nach einer sehr erholsamen Nacht, war die
Tagwache nicht allzu schwer. Wasser am Fluss holen, Kakao und Hafer kochen, da
kam auch schon Fredy wieder mit schnellen Schritten auf uns zu. «Buenos días
amigos» rief er uns schon von weitem zu. Der vorbereitete Haferbrei kam ihm,
glaube ich, gerade recht, um etwas wärme zu tanken. Schon bald verabschiedeten
wir uns von Fredy und seinem Hund und drückten ihm noch 10 soles für die
Platzmiete in die Hand. Kurz vorher, und das war eine weniger schöne Begegnung,
kam eine junge Frau mit ihren Lamas hoch und wollte doch tatsächlich Platzmiete
von uns verlangen, obwohl wir wussten, wem der «corral» gehörte. Freundlich
aber mit Bestimmtheit liessen wir sie dann verstehen, dass dies bestimmt nicht
so sei und wir mit dem verantwortlichen Bauern dies schon geklärt hätten. Schade,
dachten wir, dass einige so vorurteilsvoll gegenüber Fremden sind und nur «money
money» sehen…
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Unser Freund Fredy |
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Blick vom "corral" aus ins Tal |
Der anschliessende Aufstieg nagte ziemlich an den Muskeln und der
Nebel wollte sich einfach nicht lichten. Doch die vielen tiefblauen bis grünen
Lagunen, Wasserfälle und der nahe Apu (heilige Berg) Colquecruz zogen uns in
ihren Bann.
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Azulcocha und Suerococha |
Schon bald kam der verhängnisvolle Abstieg nach…? Plötzlich wussten
wir vor lauter Nebel nicht mehr, was vorne und hinten war, der Weg schien sich in
viele kleine caminitos aufzuteilen, wir konnten zwischen Kuh- und Wanderweg
nicht mehr wirklich unterscheiden.
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Die Alpacas wissen bestimmt wohin der Weg führt... |
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Nasse Füsse... |
Phuuu, wohin nur? Schlussendlich entschieden
wir uns immer dem Wasser entlang - denn wie die Pfadiregel Nummer 56 sagt;
Wasser führt immer nach unten - zu folgen. Gut und recht, aber ziemlich
waghalsig haben wir uns mit unseren vollgepackten Rucksäcken nach unten auf
eine riesige, offene Pampa gebracht. Wo sind wir denn jetzt gelandet? Auf das
erste Haus zusteuernd, erspähten wir, frohlockend, schon von weitem einen
kleinen Bauern mit seinen Schafen. «Maypi kachkani» - wo sind wir? Fragten wir
ihn auf Quechua.
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Maypi kachkani? |
Zu unserem Erstaunen sind wir ins falsche Tal abgestiegen und
waren nur einige Stunden von unserem Ziel Lares entfernt. Der liebe Señor
Horacio erklärte uns, wie wir ganz nach unten kommen und lud uns kurz in sein
Haus ein, um die von seiner Frau gewobenen Wollsachen zu begutachten. In den
Anden ist es typisch, dass die Häuser ein einziges grosses Zimmer haben, wo das
Alltagsleben stattfindet. Da ist die Küche, Wohnraum, Schlafzimmer und Stall
für die Meerschweinchen in einem. Wir kauften Horazio einen wunderschönen Schal
aus Schafswolle ab und verabschiedeten uns von ihm.
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Horazio von Pampa Corral |
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Schal aus Schafswolle mit typischen Motiven |
Mit nassen Füssen kam wir
schliesslich zur Strasse, welche nach Lares führte und gingen ihr doch noch
einige Kilometer entlang, da wir lange keine Mitfahrgelegenheit fanden. In
Lares angekommen, gönnten wir uns natürlich ein Cusqueño Bier und dankten den
Apus für ihren Schutz. Die Opfergabe mit Kokablätter und etwas Träsch vor jeder
Wanderung war also nicht umsonst - Sulpayki.